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Die Huaorani (sprich: „Wao-Rani") lebten noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts weitestgehend isoliert von der Außenwelt in den Regenwäldern am Oberlauf des Amazonas (im Osten des heutigen Ecuador). Vermutlich hatten sie 1956 den ersten nicht-kriegerischen Kontakt zur „Außenwelt", als weiße Missionare zu Ihnen vordrangen. Dementsprechend wenig ist über diese Ureinwohner Amazoniens -- manche mögen sagen „Indianer" -- bekannt. Vor allem ihre Herkunft gibt Rätsel auf: ihre Sprache läßt sich in keine der bekannten Sprachfamilien einordnen, ihre Mythologie weist kaum Parallelen zu anderen Stämmen auf, es gibt so gut wie keine verwertbaren archäologischen Funde und in historischen Chroniken kommen sie nicht vor. Die Huaorani-Überlieferungen selbst sagen einfach, daß sie „vor langer Zeit" von „flußabwärts" gekommen seien, demnach aus dem Osten. Viel mehr ist über die Wurzeln der Huaorani bis heute nicht bekannt.
Dennoch kann man die Huaorani sicher zu den „Indianern" des amerikanischen Kontinents zählen und in Traditionen, Mythologien wie auch in genetischen Eigenheiten lassen sich eine Reihe Parallelen zu ihren nordamerikanischen „Verwandten" erkennen, die uns Europäern von Karl May und den zahlreichen Wildwest-Filmen her bekannt sind: so gehört die Körperbemalung auch bei den Huaorani zum festen Bestandteil nicht nur kultureller Handlungen, sondern auch noch des heutigen Alltags. Wie die meisten nordamerikanischen Stämme haben die Huaorani ein ähnliches Selbstverständnis von der Natur und vom Leben im Einklang mit der Natur (die Sonne ist in der traditionellen Religion eine wichtige Gottheit) und auch aus biologischer Sicht und in der optischen Erscheinung gibt es einige Gemeinsamkeiten: glattes, schwarzes Haar, (leicht) hervorstehende Wangenknochen und spärlicher Bartwuchs und Brustbehaarung bei den Männern sind die augenscheinlichsten Ähnlichkeiten. Genetische Gemeinsamkeit ist bspw. das „Fehlen" eines Enzyms zum Abbau von Alkohol -- genau wie bei allen nordamerikanischen „Indianern", was auf gemeinsame Wurzeln schließen läßt. Im Vergleich zu den meisten Stämmen in Nordamerika sind die Huaorani allerdings verhältnismäßig klein (ein „durchschnittlicher" Huaorani hat eine Körpergröße von ca. 1,55m).
Man vermutet, daß die Huaorani seit etwa 10.000 Jahren in ihrem heutigen angestammten Territorium leben, und zwar als klassische Jäger und Sammler. Bis heute spielen Ackerbau, Viehzucht und Fischen nur extrem untergeordnete Rollen: man lebt von dem Überfluß, den der Regenwald hergibt. Bei meinem Besuch in zwei Huaorani-Kommunen im Dezember 1999 waren außer einigen wenigen Hühnern und Schweinen (abgesehen von ein paar Brüllaffen-Jungen, die aber mehr als „Spielgefährten" denn als Nutztiere betrachtet wurden) keine Haustiere anzutreffen und außer der Yuca-Pflanze (deren Knolle im Geschmack der Kartoffel ähnelt und eines der Hauptnahrungsmittel der Huaorani ist) habe ich praktisch keine Landwirtschaft gesehen. Zuverlässigen Aussagen nach werden jedoch auch Maniok, Mais, Erdnüsse, Chili und verschiedene Obstsorten kontrolliert angebaut.
Von den über 50 Fischarten, die im Huaorani-Gebiet vorkommen, werden nur sehr wenige gegessen. Größere Fische, wie catfish sind ebenso tabu wie Wasservögel und alle Tiere, die Fische fressen. Selbst Schildkröteneier, die von nahezu allen Stämmen im ecuadorianischen Amazonasgebiet gegessen werden, werden von den Huaorani gemieden.
Die Huaorani jagen in erster Linie Affen und Vögel. Kleinere Tiere werden mit dem Blasrohr (mit Curare vergifteten Pfeilen), größere mit dem Speer erlegt. Blasrohre haben wir in zwei Längen angetroffen: die kürzeren sind etwa 1,20-1,50m lang, die längeren etwa 2,50-3m. Speere haben ebenfalls eine Länge von etwa 3m und werden in zwei Variationen gefertigt: eine einfacherere Form für die Jagd, eine aufwendigere mit Zacken, die als Widerhaken dienen, für den Krieg (nach der letzten bekannten Statistik ist die häufigste Todesursache bei den Huaorani mit über 70% aller Todesfälle der Tod durch Krieg).
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